Zander, Katrin; Behr, Hans-Christoph; Hüppe, Ronja; Jakobs, Anna; Kilian, David; Rampold, Christine; Schaack, Diana and Single, Sarah (2022) Marktstudie zu regionalen Bio-Lebensmitteln in Hessen. [Market overview local organic food in Hesse.] Universität Kassel , FG Agrar- und Lebensmittelmarketing, D-Witzenhausen.
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Summary
Die vorliegende Studie gibt einen ersten Einblick in die aktuelle Situation der landwirtschaftlichen Öko-Erzeugung, der Verarbeitung und des Handels ökologischer Lebensmittel in Hessen. Am Beispiel von ausgewählten Wertschöpfungsketten (WSK) wird untersucht, welche Schwächen und Stärken und welche Herausforderungen für regionale Produktion, Verarbeitung und Handel von ökologischen Lebensmitteln bestehen. Ziel der Studie ist es, die aktuelle Situation darzustellen, Schwachstellen zu identifizieren und Ansatzpunkte zu ihrer Abhilfe darzulegen. Die Studie gliedert sich in drei Arbeitspakete (AP): AP 1 – Landwirtschaftliche Öko-Erzeugung, AP 2 – Verarbeitung ökologischer Lebensmittel in Hessen und AP 3 – die Nachfrage nach bioregionalen Lebensmitteln im hessischen Einzelhandel.
Methode
Für AP 1 – Landwirtschaftliche Öko-Erzeugung wurden InVeKos-Daten aus dem Jahr 2020 ausgewertet und auf Kreisebene aggregiert dargestellt (siehe auch Kapitel 2.1). Um aus den Anbauflächen Erntemengen abschätzen zu können, wurden Berater und Beraterinnen für den ökologischen Landbau nach Durchschnittserträgen in Abhängigkeit der Standortqualität befragt. Um die Bodenbonität bei den Ertragsschätzungen auf der Grundlage der InVeKoS-Daten zu berücksichtigen, wurden die durchschnittlichen Ertragsmesszahlen der einzelnen Gemarkungen verwendet.
Für AP 2 – Verarbeitung ökologischer Lebensmittel in Hessen wurde zunächst eine Liste mit Unternehmen erstellt, die ökologische Rohstoffe für die menschliche Ernährung verarbeiten. Für die Bio-Wertschöpfungsketten Kartoffeln, Fleisch sowie Ölsaaten und Leguminosen, wurden Experteninterviews durchgeführt.
Für die Identifizierung der Nachfrage nach bioregionalen Lebensmitteln im hessischen Einzelhandel (AP 3) wurde zum einen die private Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln in Hessen beschrieben. Hierzu wurde das GfK-Haushaltspanel in der Kategorie Frische-Warengruppen ausgewertet. Zum anderen wurden Interviews mit Expert*innen des Lebensmitteleinzelhandels geführt.
Ergebnisse
Aus AP 1 – Landwirtschaftliche Öko-Erzeugung – geht hervor, dass der ökologische Landbau in Hessen, insbesondere in den Mittelgebirgsregionen, geprägt ist von Dauergrünland und damit auch der Haltung von raufutterverzehrenden Tieren. Auf den ökologisch bewirtschafteten Ackerflächen werden neben Ackerfutter vor allem Getreide und Körnerleguminosen als Futtermittel und für die menschliche Ernährung angebaut. Unklar ist, welche Anteile als Futtermittel und welche Anteile für die menschliche Ernährung Verwendung finden. Hackfrüchte, Ölsaaten und Gemüse machen in Hessen nur einen sehr kleinen Teil der Öko-Fläche aus. Diese Kulturen sind tendenziell anspruchsvoller hinsichtlich Bodengüte, Agrartechnik, Arbeitseinsatz und Know-how. Sie ermöglichen jedoch auch deutlich höhere Deckungsbeiträge.
Im ersten Teil des AP 2 – Verarbeitung ökologischer Lebensmittel in Hessen – wurden insgesamt 666 Öko-Verarbeitungsbetriebe identifiziert. Hierzu zählen auch landwirtschaftliche Betriebe, die für den Direktabsatz (Hofladen, Liederdienst etc.) ihre landwirtschaftlichen Erzeugnisse selbst verarbeiten. Mehrfachnennungen in den Verarbeitungskategorien waren möglich, so dass es insgesamt 853 Nennungen gibt. Am häufigsten sind Fleischverarbeitungsbetriebe inklusive Metzgereien und Schlachthöfen, Getränkehersteller und Keltereien, sowie Gastronomie und Catering zu finden. Im Mittelfeld finden sich Bäckereien, Milchverarbeiter, Getreideverarbeiter inklusive Brauereien und Müsliherstellern, und Kräuter- und Gewürzhersteller. Im letzten Drittel finden sich Obst- und Gemüseverarbeitung und Teigwarenherstellung/Eierverarbeitung. Mit Abstand folgen hier Imkereien Marktstudie zu regionalen Bio-Lebensmitteln in Hessen und Verarbeiter von Ölsaaten und Oliven, sowie Kaffeeröstereien und Getreidemühlen. In der Kategorie „Sonstiges“ befinden sich Hersteller von Süßwaren, Nussprodukten, Tofu und weiteren Produkten mit nur einzelnen Nennungen.
Im zweiten Teil des AP 2 verdeutlichen die Einblicke in ausgewählte WSK (Kartoffeln, Fleisch und Ölsaaten/Linsen) erhebliche Unterschiede in den jeweiligen Situationen und den speziellen Herausforderungen. Bei Kartoffeln gibt es in verschiedenen hessischen Regionen einige leistungsstarke Verarbeitungsbetriebe, die auch verarbeitete Produkte für Gastronomie und Handel anbieten, und die gute Netzwerke aufgebaut haben. Bei Fleisch ist die Situation zweigeteilt: einerseits gibt es nur zwei mittelgroße Schlachtbetriebe und andererseits viele kleine Schlacht- und Zerlegebetriebe, die im Lohn für direktvermarktende Betriebe arbeiten. Es fehlen Verarbeitungskapazitäten und Kooperationen innerhalb der WSK, um Ware zu bündeln und in größeren Mengen schlachten und verarbeiten zu lassen, so dass auch der Einzelhandel mit regionaler Ware beliefert werden könnte.
Ölsaaten und Leguminosen sind ein „neuer“ Produktbereich, der erhebliche Investitionen sowohl im Anbau als auch in der Verarbeitung erfordert. Ertragsunsicherheiten, aufwendige Trennung, Reinigung und Trocknung sowie fehlendes Knowhow führen zu hohen Produktionskosten. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach pflanzlichen Fleischalternativen, so dass es ein großes Potenzial für einheimische Ölsaaten und Leguminosen gibt.
Im Rahmen von AP 3 – Nachfrage nach bioregionalen Lebensmitteln im hessischen Einzelhandel – zeigt die Auswertung des GfK-Haushaltspanels den höchsten Bio-Anteil an den Ausgaben für frische Lebensmittel in Hamburg, doch Hessen folgt mit 13,1 % bereits auf Platz Zwei. Das ist erstaunlich, denn damit liegt Hessen an der Spitze aller Flächenstaaten und noch vor den Stadtstaaten Berlin und Bremen. Auch bei der Betrachtung einzelner Warengruppen fällt auf, dass in fast allen Warengruppen die Bio-Anteile an den Verbraucherausgaben für Lebensmittel und Getränke in Hessen höher sind als im Bundesdurchschnitt. Schaut man auf sozio-demographische Aspekte, so ist das verfügbare Netto-Einkommen ein wichtiger Bestimmungsgrund für die Bio-Nachfrage. Auffallend ist hier der hohe Anteil von Ausgaben für Bio-Lebensmittel in Hessen in der zweitniedrigsten und der höchsten Einkommensklasse. Besonders hohe Verbraucherausgaben für Bio-Lebensmittel sind außerdem bei weiblichen Singles und bei Haushalten mit einem Kind zu erkennen. Dieses Muster ist in Hessen besonders stark ausgeprägt. Im Vergleich zu anderen Bundesländern, ist der Online-Bezug von Bio-Lebensmitteln in Hessen höher. In diese Kategorie gehören auch Abokisten, sofern sie online bestellt werden. Damit ergibt sich eine unscharfe Grenze zum Einkauf beim Erzeuger, die ein Grund dafür sein könnte, dass der Einkauf beim Erzeuger in Hessen schwächer vertreten ist als in anderen Bundesländern. Im LEH sind Vollsortimenter in Hessen überdurchschnittlich bei den Bio-Umsätzen vertreten, die Discounter dagegen unterdurchschnittlich. Für diese Erscheinung ist vor allem der Vollsortimenter Tegut verantwortlich, der ein ausgesprochen großes Bio-Sortiment führt.
Aus den Interviews mit den Expert*innen zur Nachfrage nach bioregionalen Lebensmitteln im hessischen LEH ist deutlich geworden, dass regionale Zusammenarbeit vor allem auf gegenseitigem Vertrauen und langjährigen Beziehungen beruht und nicht durch eine einheitliche und klare Regional-Definition bestimmt ist. Die Anforderungen an regionale Partner*innen sind vielfältig und können zu Qualität, Quantitäten, Professionalität und Zuverlässigkeit gruppiert werden. Das Angebot regionaler Bio-Lebensmittel in Hessen wird durch die lokal unterschiedlich stark ausgebauten Erzeugungs- und Verarbeitungsstrukturen sowie durch die Nachfrage bestimmt. Der Anteil der bio-regionalen Produkte im Sortiment der befragten Händler variiert stark je nach Größe, Reichweite und Bio-Anteil des Unternehmens. Alle Händler bieten bio-regionale Eier, Gemüse, Brot und Backwaren sowie Fleisch an. Bei all diesen Produktgruppen ist die Nachfrage (sehr) groß. Das Bewusstsein für die regionale Herkunft der Rohstoffe bei verarbeiteten (bio-)regionalen Lebensmitteln ist gering. Die Handelsunternehmen Marktstudie zu regionalen Bio-Lebensmitteln in Hessen nutzen unterschiedliche Kommunikationskanäle, um ihre bio-regionalen Produkte zu bewerben. Klassische Medien wie Handzettel oder Aufsteller spielen dabei eine größere Rolle als z.B. die sozialen Medien.
Hessen hat hervorragende Voraussetzungen für den Aufbau von bioregionalen Wertschöpfungsketten. Die Verbraucherausgaben für ökologische Lebensmittel sind in Hessen deutlich höher als der deutsche Durchschnitt. Auch der ökologische Flächenanteil ist höher als im Rest Deutschlands. Dieses Potenzial wird bisher nur in sehr geringem Maß genutzt. Um die Kräfte im Land weiter zu bündeln, ist die Zusammenarbeit aller Stellen essenziell: MGH, HMUKLV, LLH, Hessischer Bauernverband, VÖL, Bio-Verbände. InVeKos-Daten sollten zeitnah veröffentlicht werden, um Produktionsmengen frühzeitig abschätzen zu können. Es gilt die Akteure in den Wertschöpfungsketten zu vernetzen, sie zu qualifizieren und hierfür geeignete Förderprogramme aufzulegen. Gleichzeitig muss die Verbrauchernachfrage über geeignete Maßnahmen, wie Verbraucherinformationen zu Bio aus Hessen und vorhandenen Kennzeichnungen, gezielt gesteigert werden.
EPrint Type: | Report |
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Keywords: | Biolebensmittel, Vermarktung, Wertschöpfung |
Agrovoc keywords: | Language Value URI German - Deutsch Lebensmittel http://aims.fao.org/aos/agrovoc/c_3032 German - Deutsch Vermarktungsform -> Marketingtechnik http://aims.fao.org/aos/agrovoc/c_4625 German - Deutsch Vermarktungsstruktur -> Absatzweg http://aims.fao.org/aos/agrovoc/c_4622 German - Deutsch Wertschöpfungskette http://aims.fao.org/aos/agrovoc/c_2cbe5456 |
Subjects: | Farming Systems Food systems > Markets and trade Food systems > Produce chain management |
Research affiliation: | Germany > University of Kassel > Department of Agricultural- and Food Marketing Germany > Other organizations Germany |
DOI: | 10.17170/kobra-202211157113 |
Deposited By: | Zander, Dr. Katrin |
ID Code: | 45840 |
Deposited On: | 10 Jul 2025 06:25 |
Last Modified: | 10 Jul 2025 06:29 |
Document Language: | German/Deutsch |
Status: | Unpublished |
Refereed: | Not peer-reviewed |
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