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Vitifit-Konferenz

Was tun gegen Falschen Mehltau im Bio-Weinbau?

Anfang April fand die Vitifit-Konferenz in der Nähe von Freiburg im Breisgau statt. An der Veranstaltung nahmen knapp 300 Fachleute aus Forschung, Praxis und Politik teil. Vitifit ist das bisher größte deutsche Praxisforschungsprojekt im Ökoweinbau und soll Ende 2025 abgeschlossen werden. Wichtigstes Ziel des Projekts ist die Entwicklung neuer Pflanzenschutzstrategien gegen den Falschen Mehltau.

von Redaktion Quelle Beckhoff Kommunikation erschienen am 06.05.2025
Schwerpunkte der Vitifit-Konferenz waren unter anderem das Potenzial von Piwi-Sorten und neue Ansätze zur Bekämpfung des Falschen Mehltaus im Ökoweinbau. © Jürgen Beckhoff, BLE
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Bei der Vitifit-Konferenz Anfang April in Merzhausen ging es vor allem um das Potenzial pilzwiderstandsfähiger Rebsorten (Piwis) und deren Etablierung im Handel und bei Verbrauchern. Ein weiteres Thema der Veranstaltung war die mögliche Wiederzulassung von Kaliumphosphonat im Ökoweinbau. Außerdem wurden sogenannte „Cucaps“ als vorteilhafte Formulierung für die Ausbringung von Kupfer vorgestellt.

Einsparungen beim Pflanzenschutz

Versuche im Rahmen des Vitifit-Projekts zeigten, dass bei Falschem Mehltau Einsparungen von 50 bis 80 % gegenüber den Standardsorten möglich seien, auch in Jahren mit starkem Erregerdruck, erläuterte Dorottya Simon vom Dienstleistungszentrum Ländicher Raum (DLR) im Rahmen der Konferenz. Der Pflanzenschutz müsse aber an den Standort, an das Resistenzpotenzial der Sorte und an die Witterung angepasst werden, so Simon.

Laut Simon seien die Resistenzen der verfügbaren Sorten unterschiedlich stark ausgeprägt. Neuere Sorten würden mehrere Resistenzen verbinden und seien deshalb weniger anfällig für einen Durchbruch der Widerstandsfähigkeit durch angepasste Erreger. „Dennoch gilt für alle Piwi-Rebsorten: Kein Pflanzenschutz ist keine Lösung“, betonte Simon.

Als weitere Vorteile der resistenten Sorten nannte Simon einen geringeren Arbeitsaufwand beim Pflanzenschutz, weniger Überfahrten und damit eine geringere Bodenbelastung sowie mehr Flexibilität beim Erntetermin, da die Pflanzen länger gesund bleiben.

Kosteneinsparungen und Ertragsvorteile

Laut Professor Marc Dreßler von der Hochschule Ludwigshafen, Weincampus Neustadt, bestätigt eine mehrjährige Untersuchung der Praxisdaten von Bio-Winzerbetrieben mit Piwi-Sorten, Kosteneinsparungen von bis zu 80 % bei Pflanzenschutzmitteln und Kosteneinsparungen von 65 % beim Arbeitsaufwand.

Überraschend seien jedoch vor allem die Ertragsvorteile in ungünstigen Jahren gewesen, so der Professor. Die Erträge der widerstandsfähigen Sorten lagen laut Dreßler höher als bei Standardsorten und hätten deshalb das Betriebsergebnis deutlich verbessert.

Vitifit ist das bisher größte Praxisforschungsprojekt im Ökoweinbau in Deutschland. In dem fast siebenjährigen Projekt haben sich alle führenden Einrichtungen der deutschen Weinbauforschung mit Öko-Anbauverbänden sowie Praxispartnern aus Wirtschaft und Ökoweinbau zu einem Verbundprojekt zusammengeschlossen. Ziel des Projekts ist es, neue Strategien im Pflanzenschutz gegen den Falschen Mehltau zu entwickeln. Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) über das Bundesprogramm Ökologischer Landbau (BÖL) gefördert.

Akzeptanz von Piwis im Handel und bei Konsumenten

Christoph Kiefer von der Hochschule Geisenheim erläuterte, wie die Akzeptanz von Piwi-Sorten beim Handel und bei Konsumenten erhöht werden könne. In einer Befragung hatten nur 14 % der Teilnehmenden schon einmal von Piwis gehört. Laut Kiefer habe sich aber in durchgeführten Gruppendiskussionen gezeigt, dass Informationen zu den Besonderheiten von pilzwiderstandsfähigen Sorten das Interesse bei bestimmten Zielgruppen deutlich verbesserten. Das gelte vor allem für aufgeschlossene Frauen, junge Weininteressierte und die Gruppe der LOHAs (Lifestyle of Health and Sustainability), die einen besonders nachhaltigen Lebensstil pflegen.

Kiefer sieht bei diesen Gruppen ein überdurchschnittliches Interesse an Piwis und eine überdurchschnittlich hohe Kaufwahrscheinlichkeit. Wichtig sei eine aktive Bewerbung und die Vermittlung von Informationen zu diesen Sorten. Das sei etwa über Verkostungen, Weinfeste oder essensbegleitende Veranstaltungen möglich.

Multiplikatoren für Piwis

Olympia Samara vom Bio-Verband Demeter betonte in ihrem Beitrag, wie wichtig die Einbindung von Multiplikatoren für die Etablierung von Piwis sei. Aus diesem Grund seien Workshops und Schulungen mit Fachleuten aus der Gastronomie, der Presse und mit Sommeliers Teil des Projekts gewesen. „Diese Zielgruppe spielt eine zentrale Rolle bei der Verbreitung von Piwi-Weinen und deren Akzeptanz“, sagte Samara.

Die Multiplikatoren rieten in den Workshops dazu, Weine aus neuen Rebsorten nicht auf den ökologischen Anbau zu beschränken und eine möglichst große Produktvielfalt anzubieten. Zudem sei die Einbindung von Spitzenbetrieben für die Ausweitung des Anbauumfangs unerlässlich.

Wie die Einführung gelingt

Wie die Einführung von pilzwiderstandsfähigen Sorten in der Praxis gelingen kann, diskutierten Praktiker in einer Podiumsdiskussion. Martin Schmidt, Winzer aus Baden, baut auf 20 ha neue Rebsorten an. Er riet dazu, bei der Vermarktung von Weinen aus pilzwiderstandsfähigen Rebsorten mit einem Crémant anzufangen. Das sei ideal für den Einstieg. Bei Verkostungen mit Verbrauchern kommen diese Weine nach seiner Erfahrung sehr gut an, vor allem, wenn zusätzlich die Vorteile im Anbau genannt werden. „Wir erreichen damit auch neue, junge Zielgruppen“, so Schmidt.

Auch Andreas Dilger, Bio-Winzer und Vorstandsvorsitzender von Piwi Deutschland, bestätigte, dass Verbraucher sehr aufgeschlossen für Weine aus den neuen Rebsorten seien. „Wenn es gelingt, gute Qualitäten und Strukturen für Piwi-Sorten aufzubauen, werden sich diese Weine durchsetzen“, zeigte sich Dilger überzeugt. Sein Verband sehe die neuen Rebsorten als Marke und habe sich deshalb dazu entschlossen, Piwi-Weine mit einem offiziellen Logo vom Verband zu kennzeichnen.

Vorteilhafte Formulierung für Kupfer: Cucaps

Dr. Stefan Schwab von der Universität Erlangen-Nürnberg hob in seinem Beitrag die Vorteile der Formulierung von Kupfer in sogenannten Cucaps hervor. In den Cucaps sei der Wirkstoff in einer Fett-Matrix verteilt. Die Cucaps blieben nach Ausbringung an Blättern und anderen Pflanzenteilen sehr gut haften und ermöglichten eine langsame und kontinuierliche Freisetzung des Wirkstoffs, so Schwab.

Auf Praxisbetrieben des Vitifit-Netzwerks konnte mit dieser Formulierung bei gleicher Wirkung im Schnitt ein Drittel der eingesetzten Kupfermenge eingespart werden. Besonders gut war die Wirkung der Cucaps laut Schwab an Trauben.

Die Vorteile von Cucaps bestätigte auch Professorin Johanna Döring von der Hochschule Geisenheim, die über die Ergebnisse der Vitifit-Strategieversuche zur Kupferreduzierung berichtete. Die beste Wirkung gegen Falschen Mehltau am Standort Geisenheim hätte in schwierigen Jahren wie 2021 und 2024 eine Kombination von Cucaps-Präparaten und Kaliumphosphonat gezeigt. Allerdings hat Kaliumphosphonat seit 2013 keine Zulassung mehr für die Anwendung im Ökoweinbau.

Mögliche Wiedereinführung von Kaliumphosphonat

Für die Wiederzulassung von Kaliumphosphonat im Ökoweinbau machte sich der noch amtierende Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir stark. „Die Betriebe brauchen für schwierige Jahre dringend eine Ergänzung zu Kupfer. Aus meiner Sicht gibt es keinen Grund, Kaliumphosphonat nicht zu nutzen. Deshalb werde ich die Zulassung unterstützen“, so der Minister. Der Antrag für die Wiederzulassung sei bereits Ende 2024 bei der zuständigen EU-Kommission eingereicht worden.

Zudem lobte Özdemir die Ergebnisse des Vitifit-Projekts, die auch international auf großes Interesse stießen. Dabei hob er die Fortschritte im Bereich der Resistenzzüchtung hervor, die Anpassung des Prognosemodells VitiMeteo für resistente Sorten und die Weiterentwicklung innovativer Pflanzenschutzstrategien. Özdemir: „Der Erfolg des Projekts beruht vor allem darauf, dass Wissen aus allen Bereichen zusammengeführt wird und man auf Augenhöhe mit der Praxis arbeitet.“

Wiederzulassung von Kaliumphosphonat gefordert

Professor Randolf Kauer von der Hochschule Geisenheim hob ebenfalls die Bedeutung von Kaliumphosphonat für den Ökoweinbau hervor. „Bei der Anwendung geht es vor allem um kritische Jahre, die die Wirtschaftlichkeit der Betriebe bedrohen“, sagte der Experte. Im aktuellen Sachstandbericht, der mit dem Antrag bei der EU-Kommission eingereicht wurde, habe man aktuelle Erkenntnisse zu kritischen Punkten aufgenommen. So sei die Vorzüglichkeit von Phosphonat gegenüber Kupfer bezüglich der Toxizität und Anreicherung im Boden absolut eindeutig. Auch Rückstände seien bei stadienangepasster Anwendung bis zum Ende der Blüte kein Problem. Dennoch sei noch ein dickes Brett zu bohren, um die Kommission zu überzeugen, so Kauer.

Wie wichtig eine Wiederzulassung von Kaliumphosphonat wäre, unterstrich Bio-Winzer Claus Burmeister in der abschließenden Podiumsdiskussion. Er berichtete, dass er im regenreichen Jahr 2016 einen großen Aufwand beim Pflanzenschutz betreiben musste und trotzdem nur ein Drittel seines üblichen Ertrags erreichte, weil er keine Möglichkeit gehabt hätte, Kaliumphosphonat einzusetzen. Er habe kein Verständnis für die Aufhebung der Zulassung. „Wir können solche schlechten Jahre wie 2024 finanziell nicht mehr tragen“, sagte Burmeister, „die Reserven sind aufgebraucht.“

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