Blum, Hanna; Jung, Kerstin; Nickel, Herbert and Planer, Jörg (2011) Entwicklung praxistauglicher Strategien zur Regulierung von Zikaden im ökologischen Arznei- und Gewürzpflanzenanbau im Freiland und unter Glas. [Practicable strategies to control leafhopper pests of organically grown medicinal herbs and spices in the field and under glass.] Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn , Außenlabore Agrar, Geodäsie, Ernährung (AGE); Forschungsbereich Nachwachsende Rohstoffe .
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- German/Deutsch
(Schlussbericht)
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Summary
In einem vierjährigen Vorhaben wurde von 2007 bis 2011 die Problematik des Zikadenbefalls an Arznei- und Gewürzpflanzen sowie frischen Kräutern im ökologischen Anbau untersucht.
Im Grundlagenbereich wurde die bestehende Literatur gesichtet und anhand umfangreicher Beprobungen von Praxisflächen um neue Informationen zur Biologie und Verbreitung des Schaderregers ergänzt.
Der im Projekt erarbeitete Schlüssel zur Bestimmung der mitteleuropäischen Arten der Zikadengattung Eupteryx und ein vorläufiger Bestimmungsschlüssel ihrer Larven in Deutschland stellen grundlegende Arbeitshilfen in der Bestimmung der Zikaden dar. Zur Versorgung von Versuchsarbeiten wurden Zikadenzuchten der Arten Eu. florida, Eu. decemnotata und Emelyanoviana mollicula aufgebaut, eine Zuchtanleitung erarbeitet und damit weitere Informationen zur Zikadenbiologie gewonnen. Der Nachweis von Zikadeneiern gelang nur an frischem Blattmaterial. Die Frage nach dem Verbleib der Überwinterungseier konnte nicht beantwortet werden.
Nach einem Überblick zu den natürlichen Gegenspieler von Zikaden, in dem Literaturangaben zu den verschiedenen Organismengruppen der Pathogene, Nematoden, Parasitoiden und Räuber, mit Feldbeobachtungen während der Projektlaufzeit zusammenfasst werden, liefert die Erfassung der natürlichen Gegenspieler mittels Photoeklektoren und Gelbtafeln zusätzlich Informationen zur Ökologie der Zikaden.
Mit Hilfe molekulargenetischer Methoden wurde geprüft, ob über die intraspezifische Varianz zwischen mitteleuropäischen Populationen Ausbreitungswege von Eupteryx decemnotata zu rekonstruieren wären. Dabei zeigte sich, dass das vorhandene Trockenmaterial derzeit für eine solche Untersuchung nicht geeignet ist.
In zwei weit voneinander entfernten Population von Eu. melissae und Eu. decemnotata wurden genitalmorphologisch veränderte „feminoide“ Individuen gefunden. Es wurde überprüft, ob diese Veränderungen im Zusammenhang stehen mit dem als Reproduktionsparasiten bekannten Bakterium Wolbachia. Das Bakterium wurde zwar in beiden Zikadenarten gefunden, doch sind für den Nachweis der Kausalität weitere Untersuchungen nötig.
Auf verschiedenen Versuchsebenen (Biotest, Modell- und Gewächshausversuche, Freiland- und Praxisversuche) wurde eine große Anzahl an Wirksubstanzen, Pflanzenstärkungsmitteln, entomopathogenen Pilzen sowie Nützlingen gegen Zikaden an den Modelkulturen Melisse und Salbei getestet.
Die Prüfung von Pflanzenschutzmittel beschäftigte sich vor allem mit dem Einsatz von NeemAzal T/S und Quassia. Da zu diesen Mitteln die meisten Versuche durchgeführt wurden, können zu diesen umfassende Ergebnisse berücksichtigt werden. Eine populationsmindernde Wirkung konnte nur für diese beiden Mittel aufgezeigt werden.
Alle anderen Prüfmittel, einschließlich der Nützlinge (kommerziell verfügbare Räuber) erbrachten unter den hier herrschenden Versuchsbedingungen keine reproduzierbaren Regulierungserfolge. Allerdings kann auf eine Vielzahl positiver Ergebnissen zurückgegriffen werden, die in weiteren Versuchsarbeiten intensiver betrachtet werden sollten. Hierzu zählen die Ergebnisse mit entomopathogenen Pilzen. In mehreren Versuchen zeigte sich Lecanicillium muscarium als deutlich reduzierend auf die Larvenzahlen. Ferner erwiesen sich einige Nutzarthropoden, darunter die räuberischen Blumenwanzen Orius spp. als populationsmindernd, auch wenn sie eine Massenvermehrung der Zikaden nicht verhindern konnten.
Unter den technischen Pflanzenschutzmaßnahmen war vor allem der Einsatz engmaschiger Kulturschutznetze auf unbelasteten, neu angelegten Freilandbeständen eine wirkungsvolle Maßnahme zur Zikadenregulierung, wohingegen das Absaugen oder Abfangen mit Klebefallen in den durchgeführten Versuchen nicht erfolgreich war. Im Freilandanbau kann ein Ernteschnitt mit anschließend tiefem Rückschnitt, beispielsweise von Melisse oder Salbei, einen effektvollen Eingriff in die Zikadenpopulation bewirken.
In den durchgeführten Experimenten konnten keine Veränderungen der Gehalte an Ätherischem Öl, dessen Zusammensetzung und dem Gehalt an Rosmarinsäure bei Salbei, Melisse und Oregano in Abhängigkeit der Saugtätigkeit der Zikaden nachgewiesen werden. Auch die vermutete Ertragsreduktion durch Zikadenbefall wurde trotz hohem, künstlich provoziertem Befall nicht eindeutig geklärt. Geringere Chlorophyllgehalte bei starken Zikadensaugschäden waren bei Melisse und Salbei festgestellt worden.
Auswirkungen auf die optische Qualität der Pflanzenrohware lässt sich anhand der Farbe in Schadensstärken von mindestens 10 % befallener Blattfläche nachweisen.
Ein dreijähriges Zikadenpopulationsmonitoring an Melisse und an Salbei zeigte, dass in Südwestdeutschland sicher regelmäßig eine dritte Generation von Eu. atropunctata auftritt. In Ostdeutschland ist dies zumindest in manchen Jahren der Fall. Mit dem Klimawandel und besonders den in den vergangenen Jahren warmen Phasen im Oktober und November, ist jedoch zu vermuten, dass sich der trivoltine Zyklus mehr und mehr etablieren wird und damit das Problem im Pflanzenschutz verstärkt.
Die Populationsmaxima schwanken auf den Flächen (i) zwischen den verschiedenen Generationen ein und desselben Jahres, (ii) zwischen den Jahren, (iii) zwischen verschiedenen Schlägen und (iv) zwischen den verschiedenen Zikadenarten.
Evidente Faktoren, welche die Populationsentwicklung beeinflussen können, sind (i) die Bedingungen für eine Erstbesiedlung im Jahr der Pflanzung/Ansaat sowie für eine Wiederbesiedlung nach Populationszusammenbrüchen (Nähe, Richtung und Populationsstärke von externen Besiedlungsquellen), (ii) Parasitoide, besonders Dryinidae (Zikadenwespen), welche bis 50 % der Population des Hauptschädlings Eupteryx atropunctata befallen können, und (iii) der Schnittzeitpunkt (besonders in Relation zum Fortschreiten der Larvalentwicklung). Die Ausgangssituation des Vorjahres, insbesondere die Frage, wie viele Eier im Herbst abgelegt werden konnten, sowie die Winterhöhe der Pflanzen spielen vermutlich eine wichtige Rolle für die Populationsgröße des Folgejahres (Hangover-Effekt). Trotz aller Bemühungen ist derzeit eine Prognose der Populationsentwicklung und damit der Befallsstärke nur schwierig, zumal weitere Faktoren vorhanden sind, deren Einfluss nicht gezielt untersucht werden konnte und daher nicht vorhersagbar ist (z.B. Witterung, Räuber, Pilze, Wolbachia).
Für die Praxis wichtige Informationen zu den Austriebsschäden und der Besiedlung von Neuanlagen ergeben sich aus den phänologischen Untersuchungen der Praxisflächen.
Der Bericht stellt neben den Grundlagenarbeiten und Regulierungsmaßnehmen Praxisbeispiele vor und bietet bebilderte Erkennungshilfen des Schaderregers.
Die im Schlussbericht angegebenen Anhangsdateien können bei Frau Blum (hanna.blum@oekoplant-ev.de) angefordert werden.
Summary translation
Leafhoppers attacking organically grown medical plants, spices as well as fresh herbs were studied in a 4-year project lasting from 2007 until 2011.
With respect to basic research we compiled the existing literature and gathered extensive herb field samples in order to add new information on biology and distribution of leafhoppers. A new key for the identification of adults and nymphs of the genus Eupteryx will be a basic tool for future work with these insects.
In order to supply our experiments we set up laboratory rearings of Eupteryx florida, Eu. decemnotata and Emelyanoviana mollicula, produced a rearing manual and gathered further biological data about these species.
We gave an overview of leafhopper antagonists, summarizing published data of pathogens, nematodes, parasitoids and predators, supplemented with our own field surveys through photo eclectors and yellow sticky traps.
With molecular tools we tested, whether dried leafhopper material from all over Germany can be used to estimate intraspecific variation between central European populations and to describe expansion pathways of Eupteryx decemnotata. However, we found that the existing material was not appropriate for such a study.
We found „feminoid“ leafhoppers with malformed genitalia in two widely separated populations of Eu. melissae and Eu. decemnotata. We tested whether these abnormities were correlated with Wolbachia, a bacterium which is known as a reproductive parasite. Wolbachia was found to occur in both leafhoppers, but further studies are needed to prove causal relations.
We used balm and sage as model cultures and tested a number of natural plant protection agents, plant strengtheners, entomopathogenic fungi and beneficial organisms through a variety of approaches (bioassays, model and greenhouse experiments, field experiments).
The tests of plant protective agents focussed on NeemAzal T/S and Quassia. We present extensive results on this issue, based on a number of experiments. Only these two agents were found to reduce population densities of leafhoppers efficiently.
All other agents including beneficial predators failed to produce reproducible effects at least under our experimental conditions. However, there is a number of other positive results which deserve interest in future research. For instance, in several experiments the entomopathogenic fungus Lecanicillium muscarium efficiently reduced the numbers of leafhopper nymphs. Further positive effects could be demonstrated for beneficial organisms, for instance predacious flower bugs of the genus Orius spp., although they could not prevent a mass outbreak of leafhoppers.
Concerning technical devices close-meshed insect protection nets proved to be efficient against leafhoppers provided the fields were newly established and free of leafhoppers. In contrast neither evacuating with a suction apparatus nor application of sticky traps were successful. In open field cultivation a harvest cut followed by another deep cut can efficiently reduce leafhopper populations on sage and balm.
We could find neither changes in the contents of ethereal oils and their composition nor of rosmarinic acid in sage, balm and wild marjoram related to the sucking activity of leafhoppers. Similarly, we could not find a clear correlation between harvest and an experimentally increased leafhopper density. However, a reduced chlorophyll content in balm and sage was detected in laboratorial trails.
A loss of visual quality caused by the sucking activity of leafhoppers on harvested plants can be demonstrated by measuring changes in leaf colour. With 10 % or more of the leaf surface damaged the fresh green tone fades away.
A three-year monitoring of leafhopper populations in balm and sage fields yielded clear evidence that Eu. atropunctata commonly produces three generations per year in south-western Germany. In eastern Germany this is the case at least in some years. Climatic change, and notably warm periods in October and November which were more frequent in recent years could potentially increase the occurrence of a third generation, and therefore, of leafhopper damage.
Population peaks fluctuate (i) between generations within one year, (ii) between different years, (iii) between different fields, and (iv) between leafhopper species.
Evident determinants of leafhopper population densities include (i) the conditions for early colonization after planting/sowing as well as for recolonization after population breakdowns (e.g. distance, direction and densities of external population sources), (ii) parasitoids, notably dryinid wasps, which were found to attack up to 50 % of individuals of the main pest species Eupteryx atropunctata, and (iii) time of cutting (particularly in relation to proceeding nymphal development). Further, hangover effects of oviposition success of the preceding autumn as well as plant height during winter are of importance for leafhopper densities in spring.
At present it is difficult to predict population densities and attack rates since there are further potentially important factors such as weather, predator densities, entomopathogenic fungi, Wolbachia), which we could not study in detail.
Phenological data extracted from this monitoring can help to interpret shoot damage and early colonization of new fields.
Apart from this basic and applied research this report provides practical examples and an illustrated guideline for identification of the relevant pest species.
EPrint Type: | Report |
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Keywords: | BÖLN, BOEL, BÖL, BOEL, FKZ 06OE033, Zikadenbefall, Arznei- und Gewürzpflanzen, Kräuter, Pflanzengesundheit, ökologischer Anbau |
Subjects: | Crop husbandry > Crop health, quality, protection Crop husbandry > Production systems > Ornamentals, flower bulbs and tree nurseries |
Research affiliation: | Germany > Federal Organic Farming Scheme - BOELN > Plants > Pflanzenschutz Germany > Federal Research Centre for Cultivated Plants - JKI > Institute for Biological Control Germany > Federal States > Nordrhein-Westfalen > LWK NRW Germany > Landwirtschaftskammern > LWK NRW Germany > University of Bonn > Teaching and Research Stations Germany > Other organizations |
Related Links: | http://www.bundesprogramm-oekolandbau.de/, http://www.bundesprogramm.de/fkz=06OE033, http://orgprints.org/cgi/search/advanced?addtitle%2Ftitle=&keywords=06OE033&projects=BOEL&_order=bypublication&_action_search=Suchen, http://www.oekoplant-ev.de/ |
Deposited By: | Blum, Hanna |
ID Code: | 20472 |
Deposited On: | 16 Feb 2012 11:32 |
Last Modified: | 20 Sep 2012 10:33 |
Document Language: | German/Deutsch |
Status: | Unpublished |
Refereed: | Not peer-reviewed |
Additional Publishing Information: | Gefördert vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) im Rahmen des Bundesprogramms Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft. Projektleitung: Prof. Dr. Ralf Pude, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Außenlabore Agrar, Geodäsie, Ernährung (AGE); Forschungsbereich Nachwachsende Rohstoffe |
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