Heißwasserbehandlung von Gemüsesaatgut: Verträglichkeit und Wirkung gegen verschiedene pilzliche Erreger

 

Mit dem Ablauf einer Übergangsregelung darf konventionell erzeugtes Saatgut in der Zukunft im ökologischen Landbau nicht mehr verwendet werden. Es besteht die dringende Notwendigkeit, Alternativen für die Gesunderhaltung des Saatgutes zu finden. Seit Januar 1999 wird in einem Forschungs- und Entwicklungsprojekt die Heißwasserbehandlung von Gemüsesaatgut erprobt. Das Verfahren der Heißwasserbehandlung, das Projekt und erste Ergebnisse werden vorgestellt.

 

von Marga Jahn1), Eva Nega1) und Sigrid Werner2)

 

Die Heißwasserbehandlung von Saatgut gehört zu den klassischen Verfahren des Pflanzenschutzes. Erstmals 1888 zur Bekämpfung des Flugbrandes der Gerste angewendet, war sie über 75 Jahre die Standardmethode zur Bekämpfung dieser Erregergruppe und ist auch derzeit von Bedeutung, zum Beispiel als obligatorisches Verfahren bei der Lagerung von Eichensaatgut. Die Heißwasserbehandlung ist ein spezielles Beizverfahren, bei dem es darauf ankommt, durch Einwirkung von Wärme unter Hinzufügung von Feuchtigkeit Erreger am Samen oder im Inneren des Samens ohne negativen Einfluß auf die Funktionsfähigkeit des Samens zu vernichten. Durch die Wasseraufnahme der Samen entsteht eine höhere Empfindlichkeit gegenüber Hitze, so dass geringere Temperaturen ausreichen, um mikrobielle Erreger abzutöten. Nachteile des Verfahrens sind die notwendige Rücktrocknung des Saatgutes, die Gefahr der Verletzung der Samenschale und des Auswaschens wasserlöslicher Nährstoffe aus den Samen.

Neben der Heißwasserbehandlung sind zwei weitere thermophysikalische Verfahren – Heißluft- und Heißdampf-Behandlung – zu erwähnen. Die Heißluftbehandlung ist relativ uneffektiv gegen Pathogene und erfordert sehr lange Expositionszeiten. Die Heißdampfbehandlung ist dagegen wesentlich wirksamer, es ist aber eine sehr aufwendige Behandlungsapparatur notwendig. Gegenwärtig wird in einem Forschungsprojekt auch die Einführung dieses Verfahrens untersucht.

 

Heißwasserbehandlung von Gemüsesaatgut

Im Verlaufe des letzten Jahrhunderts wurden Untersuchungen zur Heißwasserbehandlung von Gemüsesaatgut in vielen Ländern angestellt. Die vorhandenen Angaben in der älteren Literatur sind jedoch eher spärlich und beschränken sich auf wenige Kulturen und Schaderreger. Ein frühes Standardverfahren in den USA wurde die Heißwasserbehandlung gegen Phoma lingam an Kohl mit einer Temperatur von 50 °C und einer Behandlungszeit von 30 Minuten (WALKER, 1922, 1923, 1958; CLAYTON 1928).

Eine repräsentative Auswahl der jüngeren Literatur enthält Tabelle 1. In erster Linie wird im Spektrum der Arbeiten die Bedeutung bestimmter Schaderreger an den jeweils wichtigen Gemüsekulturen in den genannten Ländern deutlich gemacht. Es werden aber auch die Veränderungen in den Bekämpfungsmöglichkeiten sichtbar. Durch die Entwicklung leichter zu handhabender Beizverfahren, insbesondere der effektiven systemischen Fungizide ab Ende der 60er Jahre, ging die Bedeutung der nicht chemischen Saatgutbehandlung zur Bekämpfung pilzlicher Erreger stark zurück. So dominierten in den letzten Jahrzehnten im wesentlichen Arbeiten zur Heißwasserbehandlung gegen bakterielle Erreger, deren Bedeutung insgesamt stark zunahm.

Die Mehrzahl der Autoren konnte mit der Heißwasserbehandlung gute Bekämpfungserfolge erreichen. In Tabelle 2 wird an einigen Beispielen die Wirkung gegen wichtige Erreger demonstriert. Die in der Tabelle dargestellten 50 bis 56 °C und 10 bis 30 Minuten markieren gleichzeitig den Bereich, der in den meisten Arbeiten als Optimum für die wichtigsten Gemüsekulturen genannt wird. Das Optimum ist dann erreicht, wenn bei den gewählten Temperaturen und Behandlungszeiten der Befall weitestgehend reduziert wird und die Keimfähigkeit und Triebkraft nicht relevant beeinträchtigt sind. Es wird in dieser Darstellung aber auch deutlich, dass mit dem Verfahren zumeist keine völlige Eliminierung des Schaderregers erreicht werden kann.

 

Verbundprojekt "Heißwasserbehandlung von Gemüsesaatgut"

Die veränderten ökonomischen und ökologischen Bedingungen gegen Ende des Jahrhunderts haben dazu geführt, dass alternative Verfahren der Bekämpfung von Schaderregern zunehmend stärker beachtet und angewendet werden. Das Verfahren der Heißwasserbehandlung gewinnt sowohl im ökologischen Landbau als auch bei der Gewürz- und Heilpflanzenproduktion an Bedeutung. Ökologisch produzierende Anbauer haben im Vergleich zu konventionellen ein erhöhtes Risiko des Auftretens von Krankheiten. Eine direkte Bekämpfung der Erreger bereits bei der Saatguterzeugung ist nicht möglich, so dass die Anwendung wirksamer Verfahren der Saatgutbehandlung zwingend notwendig ist.

Obwohl, wie oben beschrieben, eine Reihe von Untersuchungen zur Ermittlung der Behandlungsoptima der Heißwasserbehandlung vorliegt, kann eine umfassende Praxiseinführung auf dieser Grundlage nicht erfolgen. Weitere Arbeiten sind nicht zuletzt durch die Verschiebungen in Anbauspektrum und Bedeutung der Gemüsekulturen und damit der wichtigsten Schaderreger/Wirt-Kombinationen notwendig. So liegen zum Beispiel für Petersilie und Feldsalat kaum Untersuchungen vor. Optimale Temperatur und optimaler Behandlungszeitraum sind für jede Kultur zu ermitteln. Auch unterschiedliche Sorten sind einzubeziehen, da besonders in der Keimfähigkeit größere Unterschiede existieren können. Eine Differenz in der Behandlungszeit von 5 Minuten ergab zum Beispiel bei Kohlsaatgut bereits große Unterschiede im Keimverhalten.

Entscheidend für die Heißwasserbehandlung in größerem Maßstab ist eine Technologie, die eine exakte Einhaltung der Temperatur während der Behandlungszeit gewährleistet und einen Temperaturabfall insbesondere zu Beginn der Behandlung vermeidet. An dieser Technik arbeitet der Initiator des Projektes, die Firma HILD samen gmbh, die auch die Behandlung durchführt. Weitere Partner im Projekt sind die Saatgutinitiative Bingenheim, ein Demeter-Betrieb, in dem ein großer Teil der Freilandversuche durchgeführt wird, sowie der Pflanzenschutzdienst des Landes Hessen, der für die Anlage und Betreuung der Freilandversuche verantwortlich ist. Die Gesamtkoordination sowie Saatgut- und Keimfähigkeitsuntersuchungen obliegen der BBA, Institut für integrierten Pflanzenschutz. Das Projekt wird von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung getragen.

 

Eine Übersicht über die in die Untersuchungen einbezogenen fünf wichtigen Gemüsearten mit den entsprechenden Schaderregern gibt Tabelle 3.

 

Erste Ergebnisse

Im ersten Versuchsjahr erfolgte die Heißwasserbehandlung noch im Labormaßstab mit kleineren Saatgutmengen und in einem relativ weiten Temperatur- und Zeitbereich. Es zeigte sich, dass der Temperaturbereich von 50 bis 53 °C für alle geprüften Kulturen einen im Hinblick auf Erregerbekämpfung und Keimfähigkeit günstigen Bereich darstellt. Bei der Behandlung mit 53 °C nahm mit zunehmender Behandlungszeit (> 10 Minuten) ein negativer Einfluss auf die Keimfähigkeit bei allen untersuchten Kulturen deutlich zu. Eine gute Wirkung wurde gegen Alternaria-Arten an Möhre, Kohl und Petersilie sowie gegen Phoma-Arten an Kohl und Feldsalat erzielt. In den Abbildungen 1 und 2 sind einige Ergebnisse an Möhre und Kohl dargestellt.

Im zweiten Versuchsjahr ist die Heißwasserbehandlung in größerem Maßstab in Behandlungskesseln geplant. Um die Wirkung zu verbessern und Wirkungslücken zu schließen, wird in Zusammenarbeit mit der Universität Hohenheim und der Firma Padena, die ebenfalls zum Verbundprojekt gehören, auch eine Kombination der Heißwasserbehandlung mit dem mikrobiellen Pflanzenstärkungsmittel PRORADIX untersucht werden.

 

1) Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft, Institut

für Integrierten Pflanzenschutz, Stahnsdorfer Damm 81, 14532 Kleinmachnow

2) HILD samen gmbh, Kirchenweinbergstraße 115, 71672 Marbach/Neckar

 

Die zitierte Literatur kann bei den Autorinnen angefordert werden.


Tabelle 1: Übersicht über Untersuchungen zur Heißwasserbehandlung von Gemüsesaatgut (einschließlich Gewürzkräuter)

 

Erreger

Kultur

Autoren

Ursprungsland

Septoria apiicola

Sellerie

BANT & STOREY, 1952

WILSON, 1974

Großbritannien

Neuseeland

Phoma lingam

Kohl (ver-schiedene Arten)

BANT et al., 1950

STALDER et al., 1960

WILLIAMS, 1967, 1974

LAMBE & LACY, 1982

GABRIELSON, 1983

Großbritannien

Schweiz

USA

USA

USA

Xanthomonas campestris

Kohl (ver-schiedene Arten)

WILLIAMS, 1974

ACHTER VAN et al., 1977

SHARMA, 1980

LIN, 1981

SHEKAWAT et al., 1982

LAMBE & LACY, 1982

SHAH et al., 1985

USA

Belgien

Indien

Taiwan

Indien

USA

Indien

 

Möhre

STRANDBERG & WHITE, 1989

USA

 

Bohne

SINGH & SWARUP,1986

Indien

Pseudomonas syringae

Gurke

 

Erbse

Sellerie

TANASE, 1975

UMEKAWA & WATANABE, 1978

GRONDEAU et al., 1992

LITTLE et al., 1997

Rumänien

Japan

Frankreich

USA

Alternaria dauci

Möhre

STRANDBERG & WHITE, 1989

USA

 

 

BRODAL et al., 1998

Norwegen

Alternaria brassicicola

Kohl

BRODAL et al., 1998

Norwegen

Fusarium oxysporum

Basilikum

TRUEMAN & WICK, 1996

USA

 

 
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Tabelle 2: Beispiele für die Wirkung der Heißwasserbehandlung gegen ausgewählte Schaderreger an Gemüsesaatgut

 

 

Befall [%]

 

Erreger/Wirt

Unbe-handelt

50°C / 20 -30 min

55°C /  20 min

Autoren

Phoma lingam / Kohl

83

13

 

STALDER et al.,1960

Xanthomonas campestris / Kohl

22

14

 

SHAH et al., 1985

Xanthomonas campestris / Bohne

24

 

01)

SINGH & SWARUP, 1986

Septoria apiicola / Sellerie

54

4

 

BANT & STOREY, 1962

Alternaria dauci / Möhre

52

 

3

STRANDBERG & WHITE, 1989

Alternaria brassicicola / Kohl

77

19

 

BRODAL et al., 1998

1) 56°C / 10 min

 
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 


Tabelle 3  Zu untersuchende Schaderreger/Wirt-Kombinationen

 

                             Kulturen                          Erreger

 

·        Feldsalat                          Peronospora valerianellae

Phoma valerianella

 

·        Petersilie                         Septoria petroselini

Phoma apiicola

Alternaria radicina

 

·        Möhre                              Alternaria dauci

Alternaria radicina

 

·        Kohl                                 Phoma lingam

Xanthomonas campestris pv. campestris

 

·        Sellerie                            Septoria apiicola

                                                                       Phoma apiicola

 



Abb. 1:

53°C  20 Minuten    Minuten

 

53°C  25 Minuten

 

 
Einfluss der Dauer der Heißwasserbehandlung auf die Keimfähigkeit von Kohlsaatgut

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

Abb. 2: Wirkung der Heißwasserbehandlung auf Schaderreger an Möhrensaatgut


 

 

 

Abb. 3: Wirkung der Heißwasserbehandlung auf pilzliche Schaderreger an Kohlsaatgut