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Prof. Dr. Reimar v. Alvensleben
Institut für Agrarökonomie der Universität Kiel, Olshausenstr. 40, 24098 Kiel
 
Ökologischer Landbau aus der Sicht der Umweltökonomie
 
"Ökologischer Landbau - Marktnische oder agrarpolitische Zukunft?"
AGÖL-Tagung am 23.1.1998 in Berlin
 

Meine Rolle auf diesem Podium sehe ich darin, das Thema in erster Linie aus der Sicht eines Ökonomen zu betrachten: Die Ökonomie versteht sich als die Lehre vom sinnvollen Umgang mit knappen Gütern. Güter sind dabei nicht nur unsere Investitions- und Konsumgüter, sondern auch unsere Umwelt: Saubere Luft, sauberes Wasser, Artenvielfalt, eine schöne Landschaft. Wer mit diesen sogenannten Umweltgütern sinnvoll umgeht, handelt ökonomisch. Wer sie verschwendet, handelt unökonomisch. Einen Konflikt zwischen Ökonomie und Ökologie kann es nach dieser Definition nicht geben, denn die sinnvolle Nutzung unserer Umwelt ist auch ein Problem der Ökonomie, nämlich der Umweltökonomie.

Der vielzitierte Konflikt zwischen Ökonomie und Ökologie ist in Wirklichkeit die Konkurrenz zwischen Umweltgütern und anderen Gütern in unserer Volkswirtschaft. Um es bildlich auszudrücken: Die Gesellschaft bzw. der Landwirt stehen vor der Frage, ob auf dem Land Korn oder Kornblumen wachsen sollen. Wenn man viel Korn erzeugt, wird es weniger Kornblumen geben und umgekehrt. Es ist verständlich, daß in den Zeiten des Mangels die gesellschaftlichen Prioritäten bei der Erzeugung von Korn lagen und daß der Landwirt auch weiterhin lieber Korn statt Kornblumen erzeugt, da nur das Korn am Markt honoriert wird, nicht die Kornblumen.

Allerdings ist inzwischen eine Situation eingetreten, in der Korn  (zumindest in den modernen Industriestaaten) im Überfluß vorhanden ist, aber Kornblumen (verstanden als Synonym für Umweltgüter) seltener (knapper) geworden sind. Das umweltökonomische Problem, vor dem wir stehen, ist also: Wie kann man das gesellschaftlich erwünschte Verhältnis von Korn und Kornblumen, d.h. von Konsum- und Umweltgütern herstellen? Ziel muß sein: die möglichst umweltschonende Erzeugung gesunder Nahrungsmittel zu möglichst geringen Kosten.

Eine der Möglichkeiten, dieses Ziel zu erreichen, ist der ökologische Landbau. Er läßt sowohl Korn als auch Kornblumen wachsen. Genauer: Der ökologische Landbau ist eine Wirtschaftsform, der möglichst geschlossene Stoffkreisläufe anstrebt, um auf diese Weise den Verbrauch von nicht erneuerbaren Ressourcen und die Emissionen in die Umwelt zu minimieren und zugleich Artenvielfalt zu gewährleisten. Wenn nun die Frage gestellt wird, ob der ökologische Landbau ein agrarpolitisches Leitbild sein kann, so muß der Ökonom zunächst die Frage klären:

Ist der ökologische Landbau die Wirtschaftsform, durch die die angestrebten Umweltziele effizient, d.h. mit dem geringsten Aufwand erreichbar sind?

Nur wenn diese Frage eindeutig positiv beantwortet werden kann, läßt sich der ökologische Landbau als Leitbild propagieren. Der ökologische Landbau ist zweifellos ein relativ umweltschonendes Verfahren. Aber es könnte ein relativ teurer Weg zur Erreichung der Umweltziele sein. Mit anderen Worten: Es ist denkbar, daß es Verfahren gibt, die das gleiche mit geringeren Mitteln, d.h. ökonomischer erreichen - eine Frage, die meines Wissens bisher nicht systematisch bzw. sachgerecht untersucht worden ist. In der Regel sind die vorliegenden Untersuchungen über die Wirkungen des ökologischen Landbaus so angelegt, daß sie mit den heute üblichen Standardverfahren der übrigen Landwirtschaft verglichen werden, ohne danach zu fragen, ob es nicht bessere andere Alternativen gibt. Ich kann mir vorstellen, daß es Landbauverfahren gibt und geben wird, mit denen sich die Umweltziele effizienter erreichen lassen, wenn man sie denn überhaupt erreichen will.

Zum Beispiel stellt sich die Frage, ob der Verzicht auf  Mineraldünger ein effizientes Mittel zur Erreichung der damit verfolgten Umweltziele ist. So läßt sich Getreide mit Mineraldünger erzeugen - bei geringeren Nährstoffemissionen und kostengünstiger, als es der ökologische Landbau kann, wenn man es nur will. Es ist interessant, daß der Anbauverband "Biopark" in seiner Anfangsphase dieses offenbar auch so gesehen hat, als er in seinen Anbaurichtlinien mineralische Düngung im beschränktem Maße zugelassen hat. Sehr schnell erkannte man jedoch, daß die Marktchancen besser sind, wenn man ganz auf den Mineraldünger verzichtete.

Dieses Beispiel offenbart ein Dilemma des ökologischen Landbaus: Wenn er sich ganz konsequent darum bemüht, bestimmte Umweltziele möglichst effizient zu erreichen, so müßte er alle seine Anbaurichtlinien auf den Prüfstand stellen und als Konsequenz  auch einige heilige Kühe schlachten. Allerdings würden dann die Unterschiede zum übrigen Landbau zum Teil unschärfer werden. Wenn er dagegen vom übrigen Landbau klar unterscheidbar bleiben will, was aus der Marketingsicht dringend anzuraten wäre, so muß er die derzeitigen strikten Anbaurichtlinien aufrechterhalten. Allerdings entstehen hierdurch für die Erzeugung der Produkte und die Erreichung der Umweltziele höhere Kosten, die durch höhere Preise und/oder Ausgleichszahlungen ausgeglichen werden müssen.

Es ist also offensichtlich, daß der ökologische Landbau mit seinen derzeitig gültigen Anbaurichtlinien nur ein Ansatz unter vielen anderen möglichen Ansätzen zur Verwirklichung umweltpolitischer Ziele in der Landwirtschaft sein kann. Der ökologische Landbau hat in dieser Hinsicht keine Monopolstellung. Bei der Förderung von Umweltleistungen der Landwirtschaft wird es darauf ankommen, daß vergleichbare Umweltleistungen der Landwirtschaft auch gleich honoriert werden, um eine Gleichbehandlung der verschiedenen Anbauverfahren und Umweltprogramme zu gewährleisten. Daß staatliche Förderprogramme zur Realisierung von mehr Umweltschutz in der Landwirtschaft grundsätzlich erforderlich sind, veranschaulicht das anfangs gebrachte Bild: Kornblumen, d.h. Umweltgüter sind knapp geworden, weil der Markt nur das Korn und nicht die Kornblumen honoriert. Wenn die Gesellschaft wieder mehr Kornblumen haben möchte, so muß sie diese, d.h. die Umweltleistungen der Landwirtschaft honorieren. Hierzu gehören auch die Umweltleistungen des ökologischen Landbaus. Die Zukunft des ökologischen Landbaus wird somit u.a. davon abhängen, wieweit die Gesellschaft bereit ist, die Umweltleistungen der Landwirtschaft im allgemeinen und die des ökologischen Landbaus im besonderen zu honorieren.

Entscheidend für die Zukunft des ökologischen Landbaus wird jedoch die weitere Entwicklung der Nachfrage nach Ökoprodukten sein. Hier zeigen unsere Langfristuntersuchungen, daß sich die Impulse von der Nachfrageseite eher abschwächen. Vor allem bei den jüngeren Verbrauchern sind die Zuwächse nur noch unterdurchschnittlich. Demzufolge wird das  weitere Marktwachstum hauptsächlich von Push-Maßnahmen abhängen, d.h. von der Verminderung des Preisabstandes zu den Standardprodukten, der Erhöhung des Distributionsgrades, der Verbesserung und Ausweitung der Produktpalette und von einer intensiveren Kommunikation - und dies alles in einer koordinierten Anstrengung aller Marktstufen. Daß die Öko-Märkte in einem gewissen Grade auch "gemacht" werden können, zeigen die Beispiele in Dänemark und Österreich. Gesucht sind Unternehmer, die bereit sind, Risiko zu übernehmen, bzw Konzepte, die eine für alle Partner akzeptable Risikoverteilung vorsehen. Über den zukünftigen Stellenwert des ökologischen Landbaus wird also in erster Linie am Markt entschieden - wie in anderen Branchen auch.

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